Gedanken zu 2. Timotheus 1,7

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Gott hat uns nicht den Geist der Furcht gegeben, sondern der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit.

2. Timotheus 1,7:

Dieser biblische Satz begleitet mich schon seit er 1984 einmal Jahreslosung war, ich hatte damals einen atheistischen Freund, und der sagte, „na ja, das klingt ja mal ganz gut von der Kirche, nicht so nieder machend, sondern aufbauend“.

2016 wurde mein Vater mit diesem Satz aus der Bibel beerdigt, weil darin die „Sophrosyne“ anklingt. Er war Zahnarzt, aber einzelne griechische Worte aus seiner mühsam erworbenen humanistischen Bildung murmelte er uns in der Familie gerne vor: „Sophrosyne“ war eines seiner Lieblingsworte, fast ein heiliges Wort. Er betonte immer wieder, dass eine gute Übersetzung schwierig aber für ihn die „Sophrosyne“ ein großes Ziel sei.

Wir übersetzen heute das Wort „Sophronismos“ aus 2. Tim. 1,7 meistens mit Besonnenheit: Gott hat uns den Geist der Besonnenheit gegeben. Darin mag die Vorstellung stecken: wenn ich in der Krise mit innerem Abstand alles betrachte und bedenke, dann wird die Furcht und Verzagtheit kleiner und in mein inneres System einordbar.

Dazu sagte mir ein Erstklässler zur biblischen Geschichte der Sturmstillung: „Wenn ich Angst habe, dann denke ich“. Das habe ich ihm versucht zu verstärken: erst einmal in Ruhe den Sturm zu bedenken, und dann besonnen und abgestimmt zu handeln. So erlebe ich zurzeit die vielfältigen Maßnahmen von Staat und unserer Kirche, sie versuchen einem Geist der Besonnenheit Ausdruck zu verleihen.

Alte Übersetzungen dieses Wortes „Sophronismos“ benutzen aber den Begriff „Zucht“, was heute vielleicht eher Disziplin meint, auch Selbstdisziplin. Etymologisch bedeutet es dann auch „Selbstbeherrschung“. Gott mutet uns auch den Geist der Selbstbeherrschung, eben eine bewusste, durch zu haltende Haltung zu. Bei Bonhoeffer, den ich in diesen Zeiten des Ausgeliefertseins an eine ungewisse Zeit viel lese, lerne ich, wie sich genau das mit dem Begriff einer christlichen Freiheit zusammen denken lässt.: In seinem Gedicht „Stationen auf dem Wege zur Freiheit“, kurz nach dem Attentat auf Hitler am 20.7.1944 in der NS-Haft entstanden, schreibt er in den ersten beiden von vier Versen:

Zucht
Ziehst du aus, die Freiheit zu suchen, so lerne vor allem Zucht der Sinne und Deiner Seele, dass die Begierden und deine Glieder dich nicht bald hierhin, bald dorthin führen. Keusch sei dein Geist und dein Leib, gänzlich dir selbst unterworfen und gehorsam, das Ziel zu suchen, das ihm gesetzt ist. Niemand erfährt das Geheimnis der Freiheit, es sei denn durch Zucht
Tat
Nicht das Beliebige, sondern das Rechte tun und wagen, nicht im Möglichen schweben, das Wirkliche tapfer ergreifen, nicht in der Flucht der Gedanken, allein in der Tat ist die Freiheit. Tritt aus ängstlichem Zögern heraus in den Sturm des Geschehens, nur von Gottes Gebot und deinem Glauben getragen, und die Freiheit wird deinen Geist jauchzend empfangen.

Das Verhältnis Denken und Handeln hat Bonhoeffer als Christ sein Leben lang beschäftigt. Welches Tun heute schenkt diese besondere Art der Freiheit? Lasst uns sie uns als Christen gestalten und die christliche Sophrosyne dabei ergreifen.
Und damit ich Bonhoeffer nicht nur zitiere, habe ich eine Idee: Mit dem normalen Glockenläuten um 18 h stehe ich nach der Sommerzeitumstellung ab Montag, 30.3. täglich draußen vor unserer Kapelle der Lukaskirche = Südseite der Kirche und spreche ein kurzes Gebet.


Christiane Weber